Brief eines Angehörigen im Sommer 2010
Liebe Hospiz Mitarbeiter,
auf diesem Wege möchte ich mich ganz herzlich im Namen meiner Kinder bei Ihnen allen bedanken. Ich habe diese Briefform gewählt, weil ich Ihnen meine Handschrift nicht zumuten möchte. Ich bitte da um etwas Verständnis. In diesem Brief möchte ich Ihnen einfach erzählen, wie wir dies alles so erlebt haben.
Hospiz - was ist das eigentlich? Zwar war mir die Einrichtung bekannt, doch so richtig auseinandergesetzt habe ich mich erst eine Woche vor der Zusage in Ihrem Haus. Es musste ja plötzlich alles sehr schnell gehen. Zwar wussten meine Frau und ich, das die Lebenskerze schon sehr weit abgebrannt war und wir hatten uns auch über das Sterben und die damit verbundene Trauerfeier unterhalten - doch da war immer noch die Hoffnung auf weitere gemeinsame Tage. Der Zeitpunkt wird schon kommen und das "wie" ergibt sich dann, schließlich war alles besprochen.
Wie schon gesagt, es musste plötzlich alles sehr schnell gehen und eine Entscheidung musste her. Wenn man auf dem Lande wohnt, kommen sehr schnell andere Grenzen (eingeschränkte Mobilität für die Kinder, Fachärzte in unterschiedlichen Kleinstädten, Fahrtzeiten zur Arbeitsstelle für mich täglich 3 Stunden, und und und) Die Pflege zuhause war nahezu unmöglich - ein Hospizplatz schien der Schlüssel zu sein. Doch wie denkt meine Frau darüber? Unabhängig von unserer Entscheidung innerhalb der Familie entschied sich meine Frau ebenfalls für das Hospiz. Dies war mir sehr wichtig. Dann ging alles sehr schnell - für mich zu schnell, denn die Krankenkasse hat uns schon so manches Mal das Leben während dieser Krankheit sehr schwer gemacht. Aber durch die Unterstützung aus dem Hospiz hoffe ich nun nicht mehr auf eine Überraschung. Ein Hospizplatz in Hannover - in der Nähe meiner Arbeitsstelle - war in dieser Situation ein " 6-er im Lotto". Entschuldigen Sie den Vergleich, aber so habe ich es bei dem ganzen persönlichen Umfeld mal so formuliert.
Ich erinnere mich noch an den ersten Tag. Meine Frau war bereits da und ich kam so gegen 14.00 Uhr. Mit der Begrüßung begann für mich schon das Gefühl der Zufriedenheit, wobei ich immer noch in mir die Hoffnung hegte, meine Frau wird ihr Zuhause nochmals sehen. Als dann die Atemnotangst bei meiner Frau nun zunahm und der Wunsch nach einer nächtlichen Begleitung aus dem Hospiz entstand, fühlte ich in mir eine sehr hohe Anspannung und die Unzufriedenheit wuchs. Offene Gespräche mit Ihnen halfen mir, die Last des gesamten Paketes zu verteilen. Ein Dank an dieser Stelle an die ehrenamtlichen Mitarbeiter, die doch einige Nächte in denen ich nicht dort sein konnte meine Frau betreuten. Dieses Konzept gab mir die Freiheit, auch die anderen Dinge des täglichen Lebens zu regeln, vor allem aber häufiger in der Nähe meiner beiden Mädels zu sein. Mit Schrecken denke ich an die Zeit Anfang 2007 zurück, wo letztendlich meine Frau 3 Monate im Krankenhaus lag - einfach funktionieren war damals angesagt (neuer Job in O. - Frau im Krankenhaus in >R. Kinder und Haus in K.)
Während meiner Besuche im Hospiz habe ich durch das vertraute Miteinander mit Ihnen sehr schnell abschalten können. Völlig frei von irgendwelchen Dingen konnte ich mich um meine Frau kümmern. Hierbei habe ich so manches von Ihnen gelernt, denn jeder von Ihnen hat eine persönliche individuelle Art der Betreuung. Dies habe ich sehr genossen. Nach ein paar Tagen hatte ich eine für mich funktionierende Struktur zu den Themen Job - Hospizbesuch - Kinder. Auch hatte ich den Eindruck, dass die Kinder das gesamte Konzept mittragen. Es war planbar und sorgte für ein Stück Normalität in unserem Leben, wenn man dies unter diesen Voraussetzungen überhaupt sagen kann.
Als dann der Anruf am 14.04. morgens gegen 5.20 Uhr kam, brach dieses Stück Normalität zusammen. Zwar wussten wir alle, dass der Punkt immer näher rückt. Dennoch wahr haben wollte es keiner so richtig von uns. Ich wollte möglichst schnell nach Hannover - leider funktionierte es nicht. A.-K. war in O. und kam endlich gegen Mittag zurück. Angesagt war, erst einmal die Botschaft zu übermitteln. Dadurch das beide Kinder nicht zeitgleich da waren, konnte ich es individuell gestalten. Mit sehr viel Angst vor dem Ungewissen und wie werden die Kinder nun die Situation aufnehmen, wenn sie ihre Mama tot sehen, sind wir dann gegen 14.00 Uhr im Hospiz angekommen. M. wollte nicht allein zu ihrer Mutter, A.-K. hingegen hatte den Wunsch, dies ganz allein zu erleben. Trotz der großen Traurigkeit war es für uns ein schöner Moment, meine Frau mit dem uns bekannten Lächeln dort friedlich zu sehen. Sie hatten diesen Abschied mit den zwei Stühlen links und rechts und der Kerze und vor allem meiner schlafenden Frau sehr schön hergerichtet. Ein Bild, was wir nicht aus unserem Gedächtnis streichen werden. So langsam wich die Angst von uns und wir konnten individuell jeder von uns oder aber auch gemeinsam Abschied nehmen. Auf dem Flur war dann wieder die vertraute Unterstützung von Ihnen. Nach gut 2 Stunden hatten wir dann das Gefühl, alles gesagt und gespürt zu haben und die Mädels sagten dann, nun möchten wir wieder nach Hause. Es waren die Momente, die wir nicht vergessen werden und dafür sind wir Ihnen sehr dankbar. Es waren auch die Abschiedsaugenblicke, die in Erinnerung bleiben. Nach der Aufbahrung rief mich der Bestatter einen Tag später an- wir wollten an diesem Tag I. noch einmal tschüss sagen - dass offenbar die Chemo`s ihr Eigenleben entwickeln und er uns raten würde, das Bild aus Hannover für uns als Abschiedsbild zu behalten. Diesem Rat sind wir gefolgt, so hat Ihre Arbeit für uns eine noch stärkere Bedeutung - Danke.
Die Pflege im Hospiz ist auf dem Lande offenbar nicht so bekannt. In den sich anschließenden Gesprächen ist mir dies erst bewusst geworden. Die Tage bis zur Trauerfeier waren wirklich sehr anstrengend, obwohl meine Frau und ich dies alles in Ruhe im Vorfeld besprochen hatten und ich das gesamte Szenario als Konzept fertig liegen hatte. Wie mag es den Menschen ergehen, die plötzlich mit diesen Dingen ohne Vorbereitung Befassung bekommen? In den Gesprächen mit der Frau D.( Pastorin) haben wir dann auch noch sehr intensiv über das Hospiz gesprochen. Auch sie empfand die Atmosphäre in Ihrem Haus als sehr angenehm.
Gemeinsam mit meinen Kindern haben wir dann die erforderlichen Schritte umgesetzt, ob es die Anzeige war oder die Festlegung des Blumenschmuckes. Immer unter dem Blickwinkel, können wir die Wünsche meiner Frau erfüllen. Die Nähe der Grabstelle zu meinem Vater ist uns gelungen und auch der Wunsch, dass die engsten Freunde das Grab ausheben und den Sarg zu Grabe tragen, konnten wir ihr erfüllen. Unsere kleine Kapelle im Dorf konnte die Menschen nicht aufnehmen, so dass viele Menschen dem Trauergottesdienst über Lautsprecher draußen folgen mussten.
An dieser Stelle möchte ich nun zum Ende kommen. Wir sind dankbar, durch das Hospiz Luise von meiner Frau / der Mama einen sehr würdevollen Abschied erlebt zu haben. Es ist ein Lebensabschnitt der Mama / meiner Frau, was die Kinder und auch ich in unserer / meiner Erinnerung begleiten werden. Auch denke ich, dass meine Frau Ihr Bemühen um eine schmerzfreie Zeit in ihrem Inneren sehr geschätzt hat. In dieser Zeit stand sie im Mittelpunkt, obwohl dies nicht ihrem Naturell als lebenslustige und kontaktfreudige Frau entsprach. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen im Namen meiner Kinder, Schwiegereltern und meiner Mutter für diese professionelle Unterstützung. Meine tiefe Anerkennung für Sie alle, die diese individuelle Leistung tagtäglich mit innerer Zufriedenheit und Gelassenheit anderen Menschen spüren lassen.
Ihr H.P.