Weihnachtsbrief im Dezember 2014
Sehr geehrte Damen und Herren,
vor nunmehr 20 Jahren haben wir unser Hospiz Luise gegründet. Und seit dieser Zeit fühlen wir so, wie es Vinzenz von Paul aussagt: auf dem Weg zu sein.
Wir sind immer wieder neu auf dem Weg, wenn es darum geht die nächsten Schritte in der individuellen Pflege unserer schwerstkranken Patientinnen und Patienten und deren Zugehörige zu begleiten.
Wenn Vinzenz von Paul schreibt, wir sind niemals am Ziel, werden wir das dann auch nie sein? Oder will er uns damit Mut machen: Bleibt auf dem Weg, geht weiter auf Eurem Weg, den Ihr begonnen habt! „Wir sind niemals am Ziel, sondern immer auf dem Weg“ Uns erscheint dieser Satz wie ein immer währender Aufruf, weiterzugehen, innezuhalten, zu überprüfen und sich nicht zurückzulehnen.
Altes bewahren und sich den neuen Herausforderungen stellen, Rückblick halten, was wir erreicht haben, was wir mitnehmen, was wir bewahren wollen, was mit unserer 20 jährigen Geschichte verbunden ist.
Es war der Mut unserer Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul in Hildesheim, ein Wagnis einzugehen und das Hospiz Luise als erste Hospizeinrichtung dieser Art in Hannover und Niedersachsen am 3. November 1994 zu gründen. Und das ist auch untrennbar mit dem großen Engagement meiner Vorgängerin Sr. Katharina-Maria zu sehen. Es brauchte in dieser Pionierzeit auch ein engagiertes Team aus Pflegekräften, Medizinern, die sich auch fanden und sich der Hospizarbeit und damit verbundenen Palliativpflege und -medizin verpflichtet fühlten.
Ebenso wichtig war uns die ehrenamtliche und seelsorgerliche Unterstützung zur ganzheitlichen Begleitung unserer Patienten und Zugehörigen. Somit waren die Befähigungskurse für ehrenamtliche Tätigkeit im Hospizbereich eines unserer ersten Angebote, die wir auf den Weg gebracht haben.
Das erste Team war sich der großen Aufgabe und der Verantwortung bewusst. Wir sind niemals am Ziel, sondern immer auf dem Weg.
Unser erworbenes Wissen und die Erfahrungen der ersten Jahre überzeugten uns, diese durch Vorträge und Fortbildungen weiterzugeben. Einige Jahre boten wir Weiterbildungen in Palliative Care für eigene Mitarbeitende und auch für Mitarbeitende von neu gegründeten Hospizeinrichtungen an.
Dort wo der Mensch lebt, möge er auch sein Leben beschließen können. Um diesem Grundsatz der Hospizbewegung treu zu bleiben, entschlossen wir uns im Jahr 1998, den ersten Ambulanten Palliativdienst Hospiz Luise in Hannover zu gründen. Mit unseren erworbenen stationären Erfahrungen war ein neues Ziel gefunden worden: Das Hospiz nach Hause bringen. Mit dieser Arbeit verfolgen wir das Ziel der modernen Hospizarbeit nämlich „ambulant vor stationär“ anzubieten. Unseren Dienst sehen wir als einen wichtigen Bereich im Gesundheitswesen und erreichen damit eine breite Öffentlichkeit in der Stadt und Region Hannover.
Im Weiteren wurde es zu einer selbstverständlichen Aufgabe, uns für ein gut funktionierendes Netzwerk in Hannover einzusetzen und sich für die Gründung „Runder Tisch Hospiz- und Palliativarbeit Stadt und Region Hannover“ zu engagieren.
Mit anderen Hospizeinrichtungen auf Bundesebene brachten wir das Qualitätshandbuch „Sorgsam“ auf den Weg, um die Qualität und die Leistungen im Hospiz zu sichern. Auf Landesebene haben wir uns an der Entwicklung eines Gütesiegels für stationäre Hospize beteiligt, um Hospizqualität auch zertifiziert überprüfen zu lassen. Wir wollen uns im kommenden Jahr dieser Siegelprüfung unterziehen.
20 Jahre erfolgreich im Dienst für den Menschen zu sein verdanken wir nicht nur unserer Trägerin, den Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul und unseren Mitarbeitenden aus dem ambulanten wie stationären Bereich. In all den vergangenen Jahren haben wir wohlwollende Unterstützung durch unseren Freundeskreis, Förderer und Spendern erfahren dürfen. Wir wollen mit diesem Brief DANKE sagen für die Gebete, die Ideen, das Engagement und den wohlwollenden Spenden. So würden wir uns auch weiterhin freuen, wenn Sie uns diese elementar wichtige Unterstützung zukommen lassen. Denn nur mit der Solidarität aller wird es uns möglich sein, den einzelnen Menschen, der uns anvertraut wird, in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen und ihm die Sicherheit zu geben, die er braucht.
Kurt Bliefernicht
Gesamtleitung Hospiz Luise
Zwanzig Jahre stationäre Hospizarbeit
„Was wollen wir erreichen? Was brauchen wir auf dem Weg?“ Mit diesen Fragen war das Team des stationären Hospiz damals unterwegs und ist es heute noch immer. Als “Wegzehrung“ haben wir inzwischen einen reichen Schatz an Erfahrungen, der uns den Rücken stärkt, wenn es ganz konkret darum geht, Wünsche und Bedürfnisse von Patienten in der letzten Lebensphase zu erfüllen. So konnten wir z. B. etliche Fußballspiele während der WM mit Patienten, standesgemäßer Deko und köstlichen Snacks, die liebevoll von einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin hergerichtet wurden, bei lauschigen Temperaturen auf der Hospizterrasse als “public viewing“ miteinander genießen. Ein anderes Highlight in diesem Jahr war der Besuch eines Patienten im Fußballstadion, als sein Lieblingsverein spielte. Da war das eher enttäuschende Ergebnis nicht wichtig; aber noch einmal in Begleitung von Freunden dabei gewesen zu sein, das zählte. Die Ziele unserer Arbeit haben sich nicht verändert. Aber verändert haben sich die Herausforderungen – insbesondere durch gesellschaftliche Prozesse - wie z. B. in der Begleitung Schwerstkranker und ihrer Zugehörigen aus unterschiedlichen Kulturkreisen, deren Bedürfnissen wir professionell begegnen wollen und uns immer wieder selbstkritisch hinterfragen: „Was brauchen wir noch dafür?“
Manches ist im Laufe der Jahre auch einfacher geworden: Wir erleben in der Öffentlichkeitsarbeit Menschen, die wissbegierig und ohne Berührungsängste noch mehr von der Hospizarbeit erfahren wollen. Auch unser Sommerfest, das wir im Juli bei strahlendem Sonnenschein mit vielen Gästen gefeiert haben, hat das wieder gezeigt. Und sicher nicht nur, weil es ein „runder“ Geburtstag mit besonderem Programm war, wie u.a. der Festgottesdienst zu Beginn oder das Gewinnspiel mit dem großartigem gespendeten Hauptgewinn eines Hotelaufenthalts.
Und so können wir gar nicht anders, als mit bewährtem “Gepäck“ im Sinne von Vinzenz von Paul weiter unterwegs zu sein.
Maike Dudek
Pflegedienstleitung
Leben ist Fließgewässer
Unser Leben ist wie ein Fluss:
Der Weg für alle ist vorbestimmt.
Für alle gibt’s ´nen anderen Schluss,
weil man ´ne andere Strömung nimmt.Am Anfang von Allem ist die Quelle,
plätschert langsam und ganz leise.
Nirgends irgendeine Welle
oder Probleme anderer Weise.Allmählich kommt es dann in Fahrt,
Der Bach ist nun zum Fluss gereift.
Gegenverkehr bleibt keinem erspart,
selbst der Wind von vorne streift.Manche reisen viel zu schnell,
andere sind immerzu am Rand.
Egal, was ich mir auch bestell‘,
das Schicksal liegt in anderer Hand.Wie die Jahre schnell vergehen,
als Kind noch nicht, im Alter sehr,
so muss man auch die Strömung sehen,
immer weiter gelangt sie zum Meer.Ein jeder ist nur ein winziger Tropfen im Fluss,
der all‘ zusammenfasst.
Beim Meer wird jeder einmal klopfen,
die Fließrichtung für alle ist angepasst.Es nutzt kein Schimpfen und kein Schnaufen,
für alle gilt die gleiche Masche:
Niemand kann sich Stillstand kaufen,
ganz egal, wie voll die Tasche.
G. F. Patient im Hospiz Luise
November 2014
Wir sind niemals am Ziel, sonden immer auf dem Weg...
Im Ambulanten Palliativdienst sind wir tatsächlich immer auf dem Weg. Wir besuchen schwerstkranke Patienten und deren Angehörige in ihrem Zuhause. Wir begleiten sie in einer besonderen Situation, nämlich in der Auseinandersetzung mit einer schweren Erkrankung und deren möglichen Symptome wie Schmerzen, Luftnot, Ängste, Übelkeit u.a. Neben der Symptomkontrolle ist die psychosoziale Begleitung ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit.
Unser Ziel ist, mit unserer Erfahrung und Professionalität dazu beizutragen, dass Leiden gelindert werden kann. Palliative Care entwickelt sich immer weiter. Das Interesse, sich diesem Thema sowohl fachlich professionell als auch gesellschaftlich und politisch zu nähern, nimmt zu. Gleichwohl macht es uns nachdenklich, wenn trotz vielfältiger palliativer Unterstützungsmöglichkeiten mehr und mehr Menschen den Zeitpunkt ihres Todes selbst festlegen möchten. Wir halten es für wichtig, umfassend über die Hospiz- und Palliativarbeit aufzuklären. Außerdem muss die Forschung im Bereich Palliative Care weiter voran gebracht werden.
„Mein größter Wunsch war immer, einmal in meinem Leben eine Dampflok zu fahren, aber das werde ich wohl nicht mehr schaffen“, bedauerte ein von uns begleiteter Patient. Sein Allgemeinzustand war sehr wechselhaft, so dass es für ihn, für seine Angehörigen und auch für uns eine große Herausforderung war, immer wieder neu wahrzunehmen, was aktuell das Richtige für ihn war. Doch es gab ihn schließlich, den „richtigen Augenblick“, und so kam unser Patient tatsächlich noch in den Genuss, eine Dampflok zu fahren. Und wir selbst konnten wieder einmal erleben, dass es angesichts der Endlichkeit sehr wertvolle Augenblicke geben kann.
Innerhalb des Teams vom APD hat es eine Veränderung gegeben:
Unsere langjährige Mitarbeiterin Martina Vogel wurde in den Ruhestand verabschiedet. Wir danken für ihren engagierten Dienst und freuen uns, dass die Stelle wieder mit einer Palliative Care Fachkraft besetzt werden konnte.
Anja Bohlen-Bruchmann
Leitung Ambulanter Palliativdienst
Zwanzig Jahre Ehrenamt im Hospiz Luise
ehrenamtlich Mitarbeitender nicht geben! Ehrenamtliche haben sich von der Gründungszeit an mit vielfältigem Engagement eingebracht und tun dies weiterhin täglich: in der Woche, am Wochenende und an Feiertagen, im Haus, beim Sommerfest, bei Benefizveranstaltungen, in der Kirchenbude...
In all den Jahren hatte und hat das Hospiz ungefähr genauso viele ehrenamtliche wie hauptamtliche Mitarbeitende. Bei aller Professionalisierung und Spezialisierung in der Hospizbewegung hat das ehrenamtliche Engagement eine wichtige Aufgabe. Ehrenamtliche können offene Beziehungsangebote machen, sie müssen ihr Handeln nicht an Symptomen und Defiziten orientieren. Sie sind offen für Begegnung, Gespräch und Schweigen. Sie sorgen z. B. für die Erfahrung des Aufgehoben- und Angenommen seins in einer Tischgemeinschaft. Seit vielen Jahren bietet auch der Ambulante Palliativdienst des Hospiz Luise ehrenamtliche Unterstützung an. Zu Beginn lag hier der Schwerpunkt ehrenamtlicher Tätigkeit darin, trauernde Hinterbliebene für eine Zeit persönlich auf ihrem Weg in das Leben ohne den verstorbenen Menschen an ihrer Seite zu unterstützen. Seit etwa zwei Jahren verfügt der APD über einen Kreis Ehrenamtlicher, die Schwerkranke und ihre Angehörigen zu Hause unterstützen und begleiten.
Dem APD ist es ein Anliegen, ehrenamtliches Engagement weiter in das Betreuungsangebot des Palliativdienstes zu integrieren.
Seit zwei Jahren bietet das Hospiz/der APD einen Befähigungskurs für ehrenamtlich Mitarbeitende an, der auf den Einsatz im ambulanten und stationären Bereich vorbereitet. Wenn Sie sich für die Mitarbeit im Hospiz und/oder im APD interessieren, sprechen Sie uns an!
Ute Reimann
Sozialpädagogische Mitarbeiterin
Traumwelt
Wenn wir schweifen in die Ferne
und das oft mit starrem Blick,
erhofft ein jeder nur zu gerne,
Erträumtes kehrt reell zurück.Will man es mit Lasso fangen,
fällt man furchtbar auf den Bauch.
Schiebt man Wolken weg mit Stangen,
gilt das gleiche leider auch.Wir alle geh’n in den Gedanken
über Stock und über Steine.
Kennen dabei keine Schranken,
sorgen machen wir uns keine.Alles friedvoll, niemand motzt
und immer scheint für uns die Sonne.
Keiner da, der ewig protzt,
es ist so schön, die reinste Wonne.Wer kennt sie nicht, die heile Welt?
Keine Krankheit, keine Kriege,
nichts dreht sich ewig nur ums Geld.
Nein, im Zentrum steht die Liebe.Wir träumen oft mit off’nen Augen,
brauchen dafür nichts zu tuh’n,
seh’n Palomas weiße Tauben,
die für Frieden alles tun.Wär‘ die Welt nur wie in Träumen.
Alle satt, gesund und frei,
der Regenwald wär‘ voll von Bäumen
und nirgends klingt vor Schmerz ein Schrei.Doch kaum ist man vom Traum erwacht
und schaut aus seinem Schneckenhaus:
Überall drängt man zur Macht
und niemand lebt die Träume aus.
G. F. Patient im Hospiz Luise
Oktober 2014
Seelsorgliche Begleitung im Hospiz Luise
Die Weihnachtsgeschichte beinhaltet die Herbergssuche. Ein Paar sucht eine gastliche Bleibe, damit ein Kind geboren werden kann. Wir kennen den weiteren Verlauf: ein Stall, eine Krippe...
„Hospiz“ bedeutet Herberge und Herberge bedeutet Gastlichkeit. Über das Jahr hinweg werden Menschen in dieses gastliche Haus aufgenommen, um umfassend begleitet die letzte Wegstrecke des Lebens zu gehen. Zur Haltung des Hospiz Luise gehört auch, dass der Patient, der Gast, auch als beseelte Persönlichkeit ernstgenommen wird. So hat die Sorge um die Seele eines jeden einen festen Platz im Hospiz. Die seelsorgliche Begleitung bildet immer eine Wegstrecke ab. Kennzeichnend für diese Begleitung ist immer und zuerst schlichte Mitmenschlichkeit. Gemäß des jesuanischen Auftrages Menschen zu fragen: „Was darf ich dir tun?“ Diese Weg-Begleitung ist immer vom Seelenkompass des Patienten geprägt. Einfach da SEIN, mit aushalten, immer mit einem offenen zuhörendem Ohr. Eine Solidarität auf dem Weg entsteht. Dass der Weg gemeinsam gegangen werden kann, ist entscheidend von einem Raum des Vertrauens abhängig. Die Seelsorge geht mit am Grenzstreifen des Lebens. Kürzlich sagte mir ein Angehöriger: „Bruder Emmanuel, sie gehen hier mit den Grenzgängern mit.“ Die Arbeit in der Seelsorge konfrontiert den einzelnen Begleiter mit seiner eigenen Sterblichkeit und mit der eigenen Sinn- und Hoffnungsperspektive. Auch diese Wege in der Seelsorge gleichen seelischen Geburtswegen. Die Begleiter werden, sei es der Seelsorger oder jeder Mitarbeitende, der ebenfalls seelsorgerische Anteile lebt, immer durch den gemeinsamen Weg mit den Patienten beschenkt. Das Leben kann auf beiden Seiten Tiefe bekommen.
So wünsche ich uns allen, dass wir in den engen Wegpassagen des Lebens immer Weggefährten haben mögen. So drückt es ja auch die Farbsymbolik der Regenbogenfarben auf der Abbildung der Weihnachtsszene auf dem Deckblatt aus. Gott hält seinen Bund mit dem Menschen. Oder lassen Sie es mich adventlich ausdrücken: Gott ist immer mit uns.
Bruder Emmanuel Panchyrz OSB
Seelsorger im Hospiz Luise
Der Weihnachtsbrief im pdf-Format.